Das Schweigen der Schimpansen. Wie Tiere den Tod verstehen
Susana Monsó wurde 1988 in Madrid geboren. Sie studierte Philosophie in Madrid, London, Graz und Wien und gehört der Fakultät für Logik, Geschichte und Wissenschaftsphilosophie der UNED, der größten spanischen Fernuniversität, in Madrid an. Zudem ist sie Mitgründerin der »Philosophy of Animal Minds and Behavior Association«. Foto: Gianfranco Tripodo
Die Tiere und der Tod
Die spanische Philosophin Susana Monsó über Elefanten und Delfine, Ameisen und Schimpansen. Wie erfahren Tiere Vergänglichkeit und Sterben? Können sie gar den Tod verstehen?
Können Tiere den Tod verstehen? Nun erleben Wildtiere ihn tagtäglich. Der Tod ist für sie etwas Greifbares, etwas sehr Konkretes. Sterben, Vergehen, Fressen und Gefressen werden ist für sie Überlebensalltag. Können sie aber Trauer empfinden? Und spüren sie den Verlust? Damit setzt sich die spanische Philosophin Susana Monsó in »Das Schweigen der Schimpansen« auseinander.
Diese noch junge Forschungsrichtung nennt sich Vergleichende Thanatologie, abgeleitet vom griechischen »thanatos«, Tod. Dezidiert setzt sich Monsó vom »emotionalen Anthropozentrismus« ab, also vom An- und Umlegen menschlicher Maßstäbe auf die Tierwelt. Stattdessen präsentiert sie eine Fülle an Informationen und Beispielen. So wurde 2018 ein Orca-Weibchen dabei beobachtet, wie sie ein Jungtier gebar. Dieses lebte keine dreißig Minuten. Danach trug die Mutter ihr totes Kalb zwei Wochen lang und mehr als 1000 Meilen weit durchs Meer. Ameisen reagieren auf bestimmte Botenstoffe, die tote Körper absondern. Riecht ein Ameisenkörper danach, wird er kurzerhand aus dem Bau entfernt. Schimpansen verstummen tief, wenn sie einen toten Artgenossen sehen. Andere Schimpansen-Arten reinigen Leichen. Forscher wurden auch Zeugen, wie eine Gruppe von Goldstumpfnasenaffen lange bei einer verstorbenen Äffin ausharrte, sie beschnupperte und sie umarmte. Ein Schule Delfine wurde gesichtet, wie sie einem sterbenden der Ihren dabei halfen, sich über Wasser zu halten – sie formten so etwas wie ein Floss und trugen ihn eine Weile mit sich. Das Opossum hingegen hat eine spezielle Weise entwickelt, sich Fresstieren zu entziehen: Es stellt sich tot, Augen und Mund sind weit offen, die Zunge verfärbt sich, eine übelriechende Flüssigkeit tritt aus – und wenn sich Beutetiere nähern, »erwacht« es wieder und verschreckt die Feinde.
Monsó offeriert, über anekdotische empathische Aufreihung weit hinausgehend, in ihrer ausdifferenzierten Argumentation drei Kategorien des tierischen Todesverständnisses: Erfahrung, Emotion, Kognition. Tiere erleben den Tod, und sie verstehen ihn.
Monsó, Susana
Insel