Kultur. Eine neue Geschichte der Welt
Martin Puchner, 1969 in Erlangen/Deutschland geboren, studierte Literaturwissenschaften in Konstanz, Bologna und an der University of California, Berkeley. Bis 2009 war er Professor für Komparatistik an der Columbia University, New York, seither ist er Ordinarius an der Harvard University, Cambridge/Mass., USA. Foto: Johannes Marburg
Kulturelle Bereicherung durch Import
Der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler Martin Puchner beschreibt Kultur als Transfer- und Migrations-Produkt, nicht als nationalen Besitz, sondern als globales Gemeingut, nicht als abgeschottet, sondern als fluid.
Der deutsche, an namhaften US-amerikanischen Universitäten ausgebildete und seit Langem dort lehrende Literatur- und Kulturwissenschaftler Martin Puchner wählte für die amerikanische Originalausgabe den Titel »The Story of Us. From Cave Art to K-Pop«; der Stuttgarter Klett-Cotta Verlag entschied sich für Anderes. Dabei spielt das »Us«, das Wir, eine, wenn nicht die eminente Rolle in dieser pointierten Big History-Kultur-Darstellung vom alten Ägypten, dem China im 7. Jahrhundert n. Chr. und Indien über Europa bis zu Lagos und Seoul heute. Tatsächlich ist diese Kultur-Historie lebendig und zugänglich, da sich Puchner jedes Fachjargons entschlägt. Und: Sie ist, wohl mit Bedacht, hochpolitisch. Denn es geht um Assimilation und kulturelle Bereicherung durch Import, durch Weitergabe. Es geht nicht um einzelne Meisterwerke, sondern um das jahrtausendealte Hin-und-Her-Wander-Projekt Kultur. Laut Puchner ist Kultur fluide, denn sie ist kein »Besitz, sondern als Gemeingut dazu bestimmt …, weitergegeben zu werden.« Für ihn ist weniger wichtig, was die Menschen weitergegeben bekommen, was sie erhalten, pflegen oder sich aneignen, sondern wie dies geschieht.
Es geht um Identität – und wie sehr diese gewinnt und aufblüht, wenn fremde Einflüsse berücksichtigt werden. Es geht also um Multikulturelles und den virulenten, auf politischer Ebene entfachten Widerstand dagegen. Es geht um »kulturelle Appropriation«, so der akademische Terminus, um Traditionsbrüche, Zerstörung und Disruption. Puchner skizziert anregend wie kundig eine »Recycling«-Argumentation. 35 Jahrtausende überwölbt sein thematischer, detaillierter und gebildeter, waghalsiger und gekonnter, dabei ansteckend optimistischer Bogen. So setzt Puchner mit den Höhlenmalereien in der 1994 in Südfrankreich entdeckten Chauvet-Höhle ein, später tauchen unter anderem Nofretete und die Entdecker ihrer Büste, heute in Berlin eine Attraktion, auf, Albrecht Dürer und die Goldschmiedekunst der Azteken oder Aufklärer in Salons zu Paris.
Puchner, Martin
Klett-Cotta