Leib und Seele. Eine Reise durch die Geschichte der Medizin
Werner Bartens, 1966 in Göttingen geboren, studierte Medizin, Geschichte und Germanistik in Gießen, Freiburg i. Br., Montpellier und Washington, D.C. Seit 2005 ist er Redakteur im Wissenschaftsressort der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, seit 2008 als Leitender Redakteur. Für seine publizistische Tätigkeit wurde er mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u. a. 2009 als »Wissenschaftsjournalist des Jahres«. Foto: Stefan Hobmaier
Kein Platz für Keime
Der deutsche Arzt, Historiker und Wissenschaftsjournalist Werner Bartens über Medizin und Zeitgeist, Glauben und Macht, Vorurteile und verzögerte Fortschritte des Heilens
Was gesund macht, darüber entscheidet oft das Weltbild. Beziehungsweise die dominante Ideologie. So gingen Louis Pasteur und Robert Koch als Entdecker der Bakterien in die Geschichte ein. Aber schon 200 Jahre vorher, um 1670, hatte ein Tuchhändler in den Niederlanden, der ein Faible für Naturwissenschaften hatte, mittels eines selbstkonstruierten Mikroskops »Animacula«, »kleine Tierchen«, entdeckt. Doch der Fund Antoni van Leeuwenhoeks wurde damals ignoriert – weil ihm die tief verankerte Viersäftelehre entgegenstand. In diesem lange nicht hinterfragten Ordnungssystem mit den Kategorien Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle gab es keinen Platz für Keime.
Solche Denkfehler ziehen sich durch die Medizingeschichte. Und darum kreist das neue Buch von Werner Bartens. Er porträtiert mehrere Jahrtausende ärztlicher Tätigkeit, von spirituellen Heilungsunternehmungen in den frühen Hochkulturen über das Aderlassen bis zur digitalisierten High-Tech-Medizin der Gegenwart. Ein zentrales Thema des Buches ist die Wechselwirkung zwischen körperlichem Befinden und seelischem Zustand. Bartens untersucht, wie seelische Faktoren Wahrnehmung und Verlauf von Krankheiten beeinflussen können. Er argumentiert, dass eine ganzheitliche Betrachtung von Körper und Seele notwendig sei, um Patienten effektiv zu behandeln. Diese Perspektive führt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen Tendenzen der modernen Medizin.
Er diskutiert die Rolle der Ärzte in der Gesellschaft und die Veränderungen in der Arzt-Patienten-Beziehung im Laufe der Zeit, kritisiert Bürokratisierung, die zu einer Entfremdung zwischen Ärzten und Patienten führt und plädiert für eine Rückbesinnung auf Empathie und menschliche Zuwendung.
Bartens erweist sich als begabter Erzähler. Ihm gelingt eine lebendige Darstellung, in die immer wieder prägnante Beispiele eingestreut sind. Etwa wie der Mediziner Werner Forßmann im Jahr 1929 erstmals eine Herzkatheterisierung durchführte – eigenhändig an sich selbst – und dies mit Röntgenbild dokumentierte.
Bartens, Werner
Rowohlt Berlin