Warum wir Kriege führen. Und wie wir sie beenden können

Der gebürtige Kanadier Christopher Blattman ist Wirtschafts- und Politikwissenschafter an der University of Chicago. Dort ist er Ramalee E. Pearson Professor of Global Conflict Studies am Pearson Institute und der Harris School of Public Publicy. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Gewalt, Verbrechen und Armut. (Foto: Jason Smith)

Wieso Kriege?

Der kanadisch-amerikanische Politikwissenschafter und Ökonom Christopher Blattman zeichnet Ursachen für Kriege nach, für Konfliktvermeidung wie für Konfliktlösung und ein konfliktfreies Koexistieren.

Täuscht der Eindruck – oder gibt es derzeit mehr Kriege denn seit Jahrzehnten rings um den Erdball? Widerspruch kommt vom kanadisch-amerikanischen Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Christopher Blattman mit seinem Buch »Warum wir Kriege führen«. Die englische Originalausgabe wurde im Sommer 2022 von der FINANCIAL TIMES, dem englischen Wochenmagazin THE SPECTATOR wie von der Zeitschrift BEHAVIORAL SCIENTIST auf deren jeweiligen Bestenlisten für das Jahr 2022 gewählt. Blattman hält Kriege für Ausnahmephänomene, die medial übermäßig viel Beachtung finden würden. Der Regelfall bestehe in Antagonismen, die nicht zu einem mittel- oder langfristigen Gewaltausbruch führten. Feinde zögen es vielmehr vor, so spitzt er seine Grundthese zu, »einander in Frieden zu verabscheuen«. Ebendies wäre der natürliche politdiplomatische Naturzustand zwischen Staaten; das Manuskript hatte er vor Russlands Überfall auf die Ukraine abgeschlossen. Er identifiziert fünf Ursachen: unkontrollierte Interessen von nicht-rechenschaftspflichtigen despotischen Führungskräften, immaterielle Anreize und Motive wie Ruhm oder Rache, drittens Ungewissheit, die relative eigene wie fremde Stärke richtig einzuschätzen, dazu Wahrnehmungsfehler sowie Misstrauen, sich auf einen friedlichen Status Quo verlassen zu können und wollen. Konflikte vermeiden, dazu dienen wirtschaftliche und soziale Verflechtungen, Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle, auch Regelwerke inklusive institutionalisierter Mechanismen, zuletzt Interventionen, um Gewaltausbrüche rasch zu stoppen und zu unterbinden. Am Schluss offeriert Blattman zehn Gebote einer kleinschrittigen Friedenspolitik. Dabei ist er sich bewusst: »Der Weg zum Frieden ist ein gewundener, oft schwer erkennbarer Pfad voller Stolpersteine.« Blattman bringt eigene Gewalt-, Konflikt- und Kriegserfahrungen, gemacht in Chicago, in Kolumbien, in Liberia und Uganda, ins Spiel. Diese Schilderungen sowie aufschlussreiche Erkenntnisse und synthetisierende Tortendiagramme lockern das gut geschriebene Buch auf. Für die analytischen Ausführungen stützt er sich auf die Spieltheorie. Im langen Anmerkungsteil verbirgt sich in den Fußnoten zusätzlich der eine oder andere Miniessay. (Abbildung: Wikimedia Commons)

Warum wir Kriege führen. Und wie wir sie beenden können

Blattman, Christopher
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